Spanische Hypothekensteuer: Das Drama in mehreren Akten
In Spanien fällt eine spezielle Steuer beim Kauf einer Immobilie an, und zwar wenn auf eine Immobilie eine Hypothek eingetragen wird. Die Kosten dafür sind hoch, lange Zeit musste der Immobilieneigentümer diese Steuer tragen. Dann begann der unglaubliche juristische Krimi um die Hypothekensteuer in Spanien.
1. Akt: Urteil des Tribunal Supremo
Am 16.10.2018 ist der spanischen Oberste Gerichtshof, der „Tribunal Supremo“ in seiner Entscheidung „Sentencia núm. 1505/2018“ überraschend zu dem Schluss gekommen, dass es im Rahmen eines Immobilienkaufs Sache der Bank und nicht die des Kunden/ Hypothekennehmers ist, bei der Beglaubigung einer Hypothek die „impuesto de actos jurídicos documentados“ („Stempelsteuer“) zu entrichten. (Die Entscheidung der dritten Kammer des Tribunal Supremo im Volltext ist hier zu finden.
Bis dahin war es üblich, dass der Kunde z.bB. beim Kauf einer Wohnung auf Mallorca diese Steuer an das Finanzamt bezahlte, die je nach Region zwischen 0,5% und 1,5% des Kreditbetrags schwankte. Das Gericht erklärte in seiner Entscheidung ausdrücklich die Auslegung des Artikel 68.2 des Königlichen Dekrets 828/1995 vom 29. Mai in Bezug auf die Steuer auf Vermögensübertragungen zu ändern, die besagte, dass der Kreditnehmer der Steuerpflichtige ist.
Große Freude bei den Kunden, die Immobilien gekauft haben – und prompter Absturz der Börsenkurse der spanischen Banken, denn aufgrund der Entscheidung eröffnete sich den Kunden die Möglichkeit, sich noch nicht verjährte Steuerzahlungen zurückzuholen, die nach der Entscheidung des Gerichts der Bank oblegen hätten.
2. Akt: Urteil zur Hypothekensteuer Spanien ausgesetzt
Am nächsten Tag setzt das Gericht seine Entscheidung unvermittelt auf Eis: Der Präsident des Gerichts verkündet wegen „der enormen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen aufgrund der Änderung der Rechtsprechung“ die Aussetzung des Urteils und dass das Gericht das Urteil im Plenum nochmal überprüfen wolle!
Die Börsenkurse für die spanischen Banken sind prompt wieder gestiegen – die Verwirrung und Kontroverse auch: Wie steht es mit dem Grundsatz der Unparteilichkeit der Richter und der Unabhängigkeit der Justiz? Das ist die Frage, die man sich seit dem 18.10.2018 stellt und die die beiden Fragen „Erstens, hat die Entscheidung rückwirkende Wirkung oder gilt sie erst für die Hypothekenbestellungen ab jetzt? Also kann ich als Kunde, der innerhalb der letzten 4 Jahre nach dem Kauf einer Immobilie (gesetzliche Verjährungsfrist) die Stempelsteuer auf das Hypothekendarlehen gezahlt habe, dieses Geld zurückfordern?“ „Und zweitens, an wen muss ich mich für meine Forderung wenden? An das Finanzamt als Zahlungsempfänger oder an die Bank, der die Zahlung oblegen hätte?“ überlagert.
3. Akt: Tribunal Supremo macht Rolle rückwärts
Gespannt war man dann auf den Montag, den 05.11.2018. Die Kammer wollte „nicht mehr über die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit der Steuervorschrift debattieren, die feststehe – sondern an diesem Tag allein die Frage klären, ob nunmehr die Banken die Stempelsteuer zu zahlen haben“.
Am 05.11.2018 gab es noch keine Entscheidung. Am 06.11.2018 dann verkündete das Gericht überraschend: Die Stempelteuer obliegt den Kunden! Damit hat das Gericht seine Entscheidung vom 16.10.2018 im vollen Umfange wieder rückgängig gemacht und die Stempelsteuer doch wieder dem Kunden auferlegt.
Enttäuschung bei den Immobilien Kunden, die auf Rückforderung im Zusammenhang mit der Hypothek gehofft hatten. Erleichterung bei den Banken, die eine solche Wendung erhofft hatten – doch wurde dieses Szenario nicht wirklich für möglich gehalten!
Spekuliert wurde viel eher, dass das Gericht klarstellen würde, dass die Entscheidung keine rückwirkende Wirkung haben solle. D.h. die Kunden also keine Rückforderungsansprüche hinsichtlich in den letzten vier Jahren gezahlter Stempelsteuer hätten, womit sich dann zugleich auch die Frage erübrigte, an wen sich der Kunde zur Rückforderung der von ihm gezahlten „Stempelsteuer“ halten müssten.
Lesetipp: Zu dem Thema Urteil Hypothekensteuer Spanien wurde ich von der Mallorca Zeitung interviewt:
Das Gericht hatte sich doch am 16.10.2018 ganz klar zur „die Notwendigkeit der Änderung der Rechtsprechung zum Steuerpflichtigen bei Darlehensverträgen mit Hypothekengarantie“ ausgesprochen und ausgeführt, dass die Zahlung der Stempelsteuer dem Darlehensgeber – also der Bank obliegen müsse – und eben nicht dem Kunden. Nach Artikel 1875 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs ist die Eintragung der Hypothek für die Ausübung der Rechte aus der Hypothek als Garantie für die Rückführung des Darlehens zwingend, somit läge die Eintragung der Hypothek also „nur im Interesse der Bank“, es sei „die Bank die Beurkundung anfrage“, so dass ihr die Steuerpflicht aufzuerlegen sei.
Nach 22 Tagen Börsen- und Gefühlsschwankungen: Hat die spanische Justiz kein Rückgrat? Wie steht es um die Unabhängigkeit der (spanischen) Rechtsprechung?
4. und letzter Akt (- oder auch nicht): Spanien ändert Hypotheken Steuergesetz
Am Donnerstag, dem 09.11.2018, hat die spanische Regierung (wie bereits sogleich direkt nach Bekanntwerden der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes am Dienstag angekündigt) ein angeblich „erlösendes“ königliches Dekret erlassen, das bestimmt, dass bei Hypothekendarlehen der Darlehensgeber (die Bank) für die Stempelsteuer zahlungspflichtig ist und nicht der Darlehensnehmer (der Kunde).
In Wirklichkeit ist dies tatsächlich als die einzige der Regierung verbleibende Lösung anzusehen, nicht auf die Steuern zu verzichten – in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Spanien mit 0,1 % bis 2 % auf die Haftungssumme des beurkundeten Kaufpreises, auf den Balearen derzeit 1,2 % die höchste Stempelsteuer in Europa hat. Aus demselben Grund erscheint mir deshalb auch eine Senkung der Steuer auf das „normale“ europäische Niveau durch die spanische Regierung eher nicht wahrscheinlich – ganz zu schweigen von einer kompletten Abschaffung der Stempelsteuer!
Nachdem also (nach aktuellem Stand) die Banken die Stempelsteuer beim Kauf einer Immobilie mit Hypothek zu zahlen haben, ist abzusehen, dass die Banken die Zinsen für eine Hypothek erhöhen werden…
Durch die nochmalige selbst-initiierte Komplettrevidierung seiner getroffenen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof nicht nur zu rechtlicher Unsicherheit in der Gesellschaft geführt, sondern auch dahingehend einen dramatischen Präzedenzfall geschaffen: Wird diese Aktion jetzt dazu führen, dass in Zukunft nun jeder, der sich durch ein Urteil des Obersten Gerichts beschwert fühlt, die Einberufung des Plenums des Gerichts und Korrektur der Entscheidung verlangen können wird?