In vielen Unternehmen sind Überstunden an der Tagesordnung. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Arbeitnehmer überhaupt zur Ableistung von Überstunden verpflichtet oder kann er die Leistung von Überstunden auch verweigern? Kann er für Überstunden eine Vergütung beanspruchen und wenn, in welcher Höhe?

 

Genkin Anwälte || Avocats haben auf dieser Seite für Sie die wichtigsten Informationen zum Thema Überstunden, Überstundenvergütung und Erfolgsaussichten einer Klage auf Zahlung von Überstundenvergütung zusammengestellt. Am Ende des Textes finden Sie ein Muster für die Überstunden-Erfassung. 

 

Sind „Überstunden“ und „Mehrarbeit“ dasselbe oder was ist der Unterschied?

Als Überstunden bezeichnet man im Allgemeinen Arbeitsleistungen, die der Arbeitnehmer über die individuell geschuldete tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit, die im Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt ist, hinaus zusätzlich erbringt.

 

Unter Mehrarbeit versteht man demgegenüber die Überschreitung tarifvertraglich festgelegten Arbeitszeitgrenzen oder gesetzliche Höchstarbeitszeiten etwa nach dem Arbeitszeitgesetz.

In Tarifverträgen wird Arbeit über die tarifliche Wochenarbeitszeit hinaus oft als Mehrarbeit bezeichnet, für die ein Mehrarbeitszuschlag in Form eines bestimmten Prozentsatzes des Stundenverdienstes vorgesehen ist.

 

Ist der Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet?

Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer ohne gesonderte Vereinbarung nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet; das Weisungsrecht des Arbeitgebers gibt ihm noch nicht das Recht, einfach Überstunden anzuordnen.

 

Wenn keine Absprache mit dem Arbeitnehmer existiert, kann der Arbeitgeber im Normalfall keine Leistung von Überstunden vom Arbeitnehmer verlangen.

 

Dem Arbeitgeber muss eine ausdrückliche Ermächtigung zur Anordnung von Überstunden im Arbeitsvertrag zustehen. Es gilt allgemein, dass ein Arbeitnehmer Überstunden nur zu leisten hat, wenn er aufgrund eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung, einer Regelung im Arbeitsvertrag oder ausnahmsweise auch nach dem Grundsatz von Treue und Glauben hierzu verpflichtet ist. Eine solche Ausnahme besteht nur für sogenannte Notfälle. In solchen außergewöhnlichen Fällen ist der Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht zur Leistung von Überstunden zur Abwendung eines Schadens für den Betrieb oder wenn die Existenz des Betriebes auf dem Spiel steht, verpflichtet.

 

Abmahnung oder Kündigung wegen Überstunden-Verweigerung?

Hingegen liegt ein Ausnahmefall nicht automatisch vor, wenn mehr Arbeit anfällt oder ein längerfristig geplantes Projekt aufgrund schlechter Planung nicht rechtzeitig – ohne Überstunden – beendet werden kann.

 

Das bedeutet, dass wenn der Arbeitnehmer Überstunden leisten soll, die die einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Vereinbarungen übersteigen, er die geforderte Leistung verweigern kann. Ein unberechtigtes Verweigern von Überstunden hingegen kann eine Abmahnung und gar eine (fristlose) Kündigung begründen.

 

Besonderheiten gelten für Schwerbehinderte, die auf ihr Verlangen von Überstunden freizustellen sind, und es bestehen Sonderregelungen für Jugendliche, Auszubildende und stillende Mütter, die keine bzw. nur eingeschränkt Überstunden leisten dürfen.

 

Gibt es zeitliche Grenzen für Überstunden?

Grenzen für Überstunden ergeben sich aus dem Arbeitszeitgesetz, das Höchstgrenzen für die Arbeitszeit festlegt. Das Arbeitszeitgesetz regelt aber nur die maximal zulässige tägliche Arbeitszeit, nicht aber deren genaue Lage oder Verteilung auf die Werktage und sagt im Übrigen nichts zur Frage der Vergütung von Mehrarbeit.

 

Gemäß § 3 Satz 1 ArbzG dürfen Arbeitnehmer an Werktagen täglich maximal bis zu acht Stunden beschäftigt werden. Das ArbzG geht dabei von einer Sechstagewoche aus, so dass die Obergrenze bei 48 Stunden pro Woche liegt.

 

Eine Verlängerung über diese tägliche Arbeitszeit hinaus ist möglich, allerdings nur bis zur Grenze von 10 Stunden täglich. Nach § 3 Satz ArbzG ist jedoch ein Ausgleich dergestalt erforderlich, dass innerhalb von sechs Monaten bzw. 24 Wochen insgesamt nicht mehr als durchschnittlich acht Stunden werktäglich gearbeitet werden. Der Samstag wird hierbei mitgerechnet und gilt als Ausgleichszeitraum, Urlaubs- und Feiertage dagegen nicht.

 

Wie sind Überstunden zu vergüten oder bezahlen?

Im Gesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, ob und in welcher Höhe Überstunden zu vergüten sind (Ausnahme § 17 Abs. 3 BBiG für Auszubildende).

 

Doch auch wenn die Arbeitsvertragsparteien nichts über die Vergütung von Arbeitsstunden ausdrücklich vereinbart haben, kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Überstunden Vergütung zustehen. Denn nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den
Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist.

 

Gemäß § 612 Abs. 2 BGB ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, so dass sich die Überstundenvergütung nach dem Entgelt, das dem Arbeitnehmer für die normale Arbeitsstunde zu zahlen ist, richtet.

 

Hat man bei Überstunden immer einen Anspruch auf Vergütung?

Nicht jede Überstunde ist per se vom Arbeitgeber zu vergüten. Der Arbeitgeber muss nur Überstunden vergüten, die er selbst angeordnet oder geduldet hat.

 

Ist eine Verpflichtung zur Leistung von Überstunden jedoch vorhanden, so sind die geleisteten Stunden grundsätzlich auch zu vergüten. Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit jedoch nicht schafft und auf eigenen Entschluss länger arbeitet und der Arbeitgeber dies auch nicht duldet, dann muss der Arbeitgeber dies grundsätzlich nicht bezahlen.

 

Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Überstundenzuschlag?

Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf besondere Zuschläge für die Leistung von Überstunden.

 

Ein Überstundenzuschlag oder Mehrarbeitszuschlag kann nur dann verlangt werden, wo dies besonders vereinbart oder betriebs- oder branchenüblich ist. Zum Teil sind in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen Überstundenzuschläge bestimmt.

 

Freizeitausgleich statt Auszahlung der Überstunden?

Grundsätzlich sind Überstunden in Geld zu vergüten. Die Parteien können aber vereinbaren, dass keine Vergütung in Geld erfolgt, sondern der Arbeitnehmer stattdessen einen Freizeitausgleich erhält. Ein Freizeitausgleich ist also zulässig, wenn der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall damit einverstanden ist oder wenn eine solche Abgeltung im Arbeitsvertrag vereinbart oder vorbehalten wurde.

 

Ein bereits entstandener Anspruch auf Überstundenvergütung kann nicht im Nachhinein durch einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber erfüllt werden, wenn keine Ersetzungsbefugnis vereinbart ist.

 

Kann der Überstundenausgleich per Vertrag ausgeschlossen werden?

Sofern es sich nicht um ein tarifgebundenes Arbeitsverhältnis handelt, können die Vertragsparteien im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass sämtliche Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, oder dass Überstunden nur zu bezahlen sind, wenn sie einen bestimmten Umfang überschreiten, oder es kann eine bestimmte monatliche Pauschale für Überstunden vereinbart werden. Die Grenze ist hierbei § 242 BGB (der Grundsatz von Treu und Glaube) und § 138 BGB (Sittenwidrigkeit).

 

Eine formularmäßige Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag, das heißt eine Vertragsklausel, die der Arbeitgeber einseitig vorformuliert hat, ist insbesondere wenn der Arbeitgeber ohne zeitliche Begrenzung unbezahlte Überstunden anordnen darf, in der Regel unzulässig, da sie gegen das Transparenzgebot verstoßen, weil der Arbeitnehmer in einem solchen Fall nicht weiß, was an Arbeit auf ihn zukommt.

 

Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Pauschalabgeltungsklausel jedenfalls nur wirksam, wenn sie erkennen lässt, bis zu welcher Grenze Überstunden durch das regelmäßige Gehalt abgegolten sein sollen. Eine solche Klausel muss klar und verständlich sein und den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Das heißt der Arbeitnehmer darf durch eine Pauschale im Durchschnitt nicht schlechter gestellt werden, als dies mit einer Überstundenentlohnung der Fall wäre.

 

Außerdem wird die Pflicht zur Leistung von Überstunden durch das Arbeitszeitgesetz begrenzt.

 

Auch bei leitende Angestellte sind Abgeltungsklauseln, wonach Überstunden mit dem Festgehalt abgegolten sind, nur eingeschränkt zulässig. Zum einen gilt die AGB-Kontrolle auch für Führungskräfte und leitende Angestellte und zusätzliche Arbeitszeit ist nicht mit einem vergleichsweise überdurchschnittlich höheren Gehalt bereits grundsätzlich abgegolten; nur bei sehr hohen Jahresgehältern und wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit weitgehend frei einteilen kann.

 

Überstunden nicht bezahlt: Überstunden einklagen?

Leistet der Arbeitnehmer von sich aus Überstunden, besteht kein Vergütungsanspruch für diese Überstunden. Auch die bloße Kenntnis des Arbeitgebers von der Überstundenleistung reicht für einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung nicht aus. Erforderlich ist eine rechtsgeschäftliche gegebenenfalls konkludent getroffene Vereinbarung über die Leistung von Überstunden.

 

Ein Vergütungsanspruch besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber sich mit der Leistung von Überstunden einverstanden erklärt hat, das heißt die vom Arbeitnehmer geleisteten Überstunden angeordnet hat. Eine Weisung kann sich auch aus den Umständen ergeben, so etwa, wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit kennt und sie duldet oder wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die er in der regelmäßigenArbeitszeit nicht erbracht werden kann. Ein Anspruch auf Überstunden Vergütung besteht auch dann, wenn die angefallenen Überstunden zwar nicht angeordnet waren, jedoch als nicht aufschiebbare Tätigkeit zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.

 

Beweis für Überstunden – wie geht das?

Sollte tatsächlich Streit über die Überstundenvergütung entstehen und ein Rechtstreit erforderlich sein, hat der Arbeitnehmer die geleisteten Überstunden sowie die Anordnung oder Billigung durch den Arbeitgeber zu beweisen.

 

Die Erfolgsaussichten einer Klage auf Bezahlung von Überstunden hängen meist davon ab, ob der Arbeitnehmer die Leistung jeder einzelnen Überstunde, für die er eine Vergütung begehrt, konkret belegen kann, das heißt den Umfang und die zeitliche Lage der über die geschuldete Arbeitszeit hinaus gehende Arbeitszeiten (Anfangs- und Endzeiten) und die Art der Tätigkeit während dieser zusätzlichen Arbeitszeit sowie nachweisen kann, dass diese vom Arbeitgeber angeordnet oder aber der Arbeitgeber Kenntnis von der Leistung der Überstunde hatte und dies geduldet oder gebilligt hat.

 

Am sichersten zum Nachweis, an welchen Tagen er zu welchen Tageszeiten über die übliche Arbeitszeit hinaus mit Duldung oder auf Anweisung des Arbeitgebers gearbeitet hat, ist es für den Arbeitnehmer, wenn er sich vom Arbeitgeber seinen Stundenzettel abzeichnen lässt, aus dem sich die genaue Lage, der genaue Umfang und die Tätigkeit während der geleisteten Überstunden ergeben.

 

Sind bei  Überstunden Verjährungsfristen oder Ausschlussklauseln zu beachten?

Sind keine abweichenden Regelungen vorhanden, so unterliegt die Geltendmachung der Überstundenvergütung der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist.

 

Der Anspruch kann jedoch auch bereits früher verwirken, wenn er beispielsweise vom Arbeitnehmer erst nach langem Warten und Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht wird.

 

Oft ist arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich geregelt, dass gegenseitige Ansprüche binnen einer bestimmten Frist (mindestens drei Monate) geltend gemacht werden müssen; der Arbeitnehmer hat dann seinen Entgeltausgleich für geleistete Überstunden innerhalb der vereinbarten Frist geltend zu machen.

 

Überstunden erfassen – diese Tabelle hilft

Tipp: Um Streitereien zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu vermeiden, ist es empfehlenswert, die Arbeitszeiten genau zu erfassen und Überstunden zu erfassen, jeweils abgezeichnet durch den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten des Arbeitnehmers. Ein Muster für ein Überstunden-Protokoll stellen wir hier kostenlos zur Verfügung. Sie können das PDF mit einem Kick auf das Bild herunterladen.

 

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